
Was ein Kloster und ein Wildpark mit dem KZ Dachau zu tun haben
1964, noch vor Gründung der KZ-Gedenkstätte Dachau, errichtete der Karmel-Orden in unmittelbarer Nachbarschaft ein Kloster. Ursprünglich hatte der Ort ebenfalls zum Konzentrationslager Dachau gehört. Auf Anweisung der SS mussten Häftlinge dort einen „Wildpark“ anlegen.
Auf den ersten Blick scheint die Künstlerin Andrea Büttner mit ihrem Video Karmel Dachau Einblicke in das tägliche Leben hinter den Mauern eines Klosters zu geben. Sie zeigt Nonnen im Gebet, beim Bügeln des Habits, beim Läuten der Kirchenglocken. Erst nach längerem Hinsehen erschließt sich, dass sich das porträtierte Kloster an einem besonderen Ort befindet: in direkter Nachbarschaft zur KZ-Gedenkstätte Dachau. Der nördlichste Wachturm des ehemaligen Konzentrationslagers dient heute als Durchgang, über den die Gedenkstätten-Besucher*innen in den Klosterhof gelangen.

Der schwere Weg zur KZ-Gedenkstätte Dachau
Die Gründung des Karmel „Heilig Blut“, so der offizielle Name des Klosters, ist im Kontext des langen Ringens um die Errichtung einer Gedenkstätte in Dachau zu sehen. Zwar hatten die US-Behörden einen großen Teil des ehemaligen KZ-Geländes samt der alten Gefangenenbaracken 1948 an den bayerischen Staat zurückgegeben. Doch dieser beschloss, in den Lagerbauten deutsche Flüchtlinge und Vertriebene aus Osteuropa unterzubringen. Seitdem hieß der Ort „Wohnsiedlung Dachau-Ost“. Erinnerungen an das Konzentrationslager wurden aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt.

Lediglich der Bereich der ehemaligen Lagerkrematorien, der von den befreiten Häftlingen schon 1945 mit improvisierten Informationen versehen worden war, wurde von der Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen zum Friedhof umgestaltet. Doch selbst in dieser minimalen Form des Gedenkens sah so mancher CSU-Politiker wie Landwirtschaftsminister Joseph Baumgartner eine „Diffamierung des Dachauer Landes“ (Rede Baumgartners beim Dachauer Volksfest, Süddeutsche Zeitung 11.8.1955). Erst mit Neugründung des Internationalen Dachau-Komitees der Überlebenden und nach der Etablierung eines bayerischen Kuratoriums aus öffentlichen Einrichtungen, dem vor allem ehemalige KZ-Häftlinge angehörten, entstanden Pläne für eine Gedenkstätte. Dem Münchner Dachau-Überlebenden Otto Kohlhofer, der selbst wegen seines Einsatzes für den kommunistischen Widerstand in das KZ gebracht worden war, gelang es, Vertreter der verschiedenen politischen Richtungen für diese Idee zu gewinnen, so dass 1965 die KZ-Gedenkstätte Dachau endlich offiziell eingeweiht wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Bau des Karmel „Heilig Blut“ schon abgeschlossen, Ende 1964 hatten die ersten zehn Nonnen das Kloster bezogen.

Katholisches Gedenken in Dachau: „Todesangst-Christi-Kapelle“ und Karmel „Heilig Blut“
Bereits vier Jahre zuvor hatte der Münchner Weihbischof Johannes Neuhäusler den Anstoß dafür gegeben, dass auf dem historischen KZ-Gelände dauerhaft religiöse Stätten etabliert wurden: Während das ehemalige Häftlingslager teilweise noch von Vertriebenen bewohnt war, setzte er durch, dass in dessen nördlichem Teil ein großer Kirchenbau entstand: die „Todesangst-Christi-Kapelle“. Sie wurde 1960 eingeweiht, anlässlich des Eucharistischen Weltkongresses in München, einer mehrtägigen Zusammenkunft der römisch-katholischen Kirche. Es war das erste international bedeutende Großereignis in Nachkriegsdeutschland.

Bischof Neuhäuslers Engagement in Dachau lag zum einen in seiner Biografie begründet: 1941 war er auf Befehl der SS-Führung mit anderen Prominenten (kirchliche Würdenträger, Staatsmänner, Militärs und Diplomaten) als Geisel in einem Trakt des Dachauer Zellenbaus inhaftiert worden. Zum anderen war das ehemalige KZ Dachau für die christlichen Kirchen generell von großer Bedeutung, denn die SS hatte 1940 begonnen, alle festgenommenen Geistlichen aus den unterschiedlichen Haftstätten im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich nach Dachau zu verlegen. Unter den mehr als 200.000 Gefangenen, die zwischen 1933 und 1945 im Dachauer Hauptlager und seinen 140 Außenlagern inhaftiert waren, bildeten die insgesamt 2720 Kleriker zwar eine Minderheit. Aber aus kirchlicher Sicht war Dachau der zentrale Haft- und später der zentrale Gedenkort für alle in der NS-Zeit verfolgten Geistlichen. Neuhäuslers Initiative trug dazu bei, dieses Geschichtsbild zu prägen.
Geradezu fatale Folgen hatte das pauschale Bemühen des Weihbischofs um „Aussöhnung“, das auch vor NS-Verbrechern keinen Halt machte: 1951 gründete er zusammen mit anderen Kirchenvertretern, reaktionären Kräften und früheren SS-Führern den Verein Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte. Dieser setzte sich auch für verurteilte NS-Straftäter und SS-Angehörige ein und betreibt bis heute rechtsextremistische Geschichtsklitterung.
Unumstritten ist jedoch Neuhäuslers Verdienst um die Errichtung des Karmel „Heilig Blut“: Im Auftrag des Erzbischofs von München und Freising, Julius Kardinal Döpfner, erwirkte er bei bayerischen und US-amerikanischen Stellen die Genehmigung für den Bau und betrieb die Spendenakquise. Eigentliche Initiatorin des Dachauer Karmel war die gebürtige Münchnerin Schwester Maria Theresia (Dr. Berta Vorbach). Schon 1962 hatte sie sich bei Döpfner für die Klostergründung eingesetzt und erklärt: „Ein Ort, wo so gefrevelt wurde, wo so viele Menschen Unsagbares gelitten haben, darf nicht zu einer neutralen Gedenkstätte oder gar zu einem Besichtigungsort erniedrigt werden. Es sollte stellvertretende Sühne geleistet werden...“.
Schwester Maria Theresia bezog ihre Aussage ganz allgemein auf den Ort des KZ Dachau. Weder sie noch Neuhäusler ahnten, dass auch das spezifische Gelände, auf dem sie das Kloster planten und das sich außerhalb des früheren Häftlingslagers befand, Jahre vor Neuhäuslers Inhaftierung Tatort des Konzentrationslagers gewesen war.
Der historische Ort des Klosters: Der „Wildpark“ im KZ Dachau
Heute informiert eine Tafel am Durchgang zum Klosterhof darüber, dass an derselben Stelle von 1937 bis 1938 über 150 KZ-Häftlinge aus der „Strafkompanie“ des Konzentrationslagers zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden. Sie mussten auf dem Gelände einen „Wildpark“ für den KZ-Kommandanten Hans Loritz errichten. Unter den Schlägen der SS-Wachen schleppten sie Erdreich und Baumaterial heran. Sie mussten eine Kiesgrube auffüllen, Wildgehege einzäunen, einen künstlichen See anlegen und ein Blockhaus aufbauen. Mehrere Gefangene starben während der schweren Arbeiten, brachen entkräftet zusammen, wurden von ihren Bewachern zu Tode geprügelt oder in den Selbstmord getrieben.

Der „Wildpark“ war ein privates Bauprojekt des KZ-Kommandanten: Loritz nutzte die Arbeiten an der Vergrößerung des KZ Dachau, um Baumaterialien zu unterschlagen und Gefangene für seine persönlichen Zwecke einzuspannen. Nach Fertigstellung wurden im „Wildpark“ Rehe, Wildschweine, Gänse und Enten gehalten. Der sozialdemokratische Dachau-Überlebende Karl Röder berichtet von ausgelassenen Feiern, die Loritz im Blockhaus abgehalten habe, während die Gefangenen im benachbarten Häftlingslager ums Überleben kämpften. Vor Ort gibt es keine Spuren von den Exzessen der SS. Durch die Nutzung der US-Armee waren Teile des „Wildparks“ bereits zerstört, als mit dem Bau des Karmel an derselben Stelle ein neuer Park entstand: der Klostergarten.
Die Künstlerin Andrea Büttner rückt die Nonnen und deren Umgang mit der Geschichte des Ortes ins Zentrum ihres Films. Die Karmeliterinnen widmeten ihre Fürsorge seit den 1980ern auch den ehemaligen Häftlingen. Schwester Elija Boßler wurde 2019 im NS-Dokumentationszentrum für ihr liebevolles Bemühen um den Überlebenden Max Mannheimer mit dem Münchner Bürgerpreis für Demokratie ausgezeichnet. Der „Wildpark“ findet in Büttners Arbeit keine explizite Erwähnung. Doch so widersprüchlich es klingt: Auch die unwirklich anmutenden Aufnahmen der friedlichen Natur des Klostergartens in unmittelbarer Nähe der KZ-Gedenkstätte – wilde Wiesen, Wäldchen, ein stiller Teich – zeigen einen Ort des Terrors: den ehemaligen „Wildpark“ des KZ Dachau.
Von Dirk Riedel, wissenschaftlicher Mitarbeiter des NS-Dokumentationszentrums München
literatur
- Elija Boßler OCD/Johanna Kuric OCD: Bleiben, wo andere gehen – Leben, wo andere starben, in: Ordenskorrespondenz. Zeitschrift für Fragen des Ordenslebens 54 (2013), Heft 3, S. 327-338.
- Barbara Distel: Das Konzentrationslager Dachau nach der Befreiung, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 2, München 2005, S. 275-282.
- Harold Marcuse: Legacies of Dachau. The Uses and Abuses of a Concentration Camp 1933-2001, Cambridge 2001.
- Dirk Riedel: Der „Wildpark“ im KZ Dachau und das Außenlager St. Gilgen, in: Dachauer Hefte 16 (2000), S. 54-70.
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Was ein Kloster und ein Wildpark mit dem KZ Dachau zu tun haben
1964, noch vor Gründung der KZ-Gedenkstätte Dachau, errichtete der Karmel-Orden in unmittelbarer Nachbarschaft ein Kloster. Ursprünglich hatte der Ort ebenfalls zum Konzentrationslager Dachau gehört. Auf Anweisung der SS mussten Häftlinge dort einen „Wildpark“ anlegen.
Auf den ersten Blick scheint die Künstlerin Andrea Büttner mit ihrem Video Karmel Dachau Einblicke in das tägliche Leben hinter den Mauern eines Klosters zu geben. Sie zeigt Nonnen im Gebet, beim Bügeln des Habits, beim Läuten der Kirchenglocken. Erst nach längerem Hinsehen erschließt sich, dass sich das porträtierte Kloster an einem besonderen Ort befindet: in direkter Nachbarschaft zur KZ-Gedenkstätte Dachau. Der nördlichste Wachturm des ehemaligen Konzentrationslagers dient heute als Durchgang, über den die Gedenkstätten-Besucher*innen in den Klosterhof gelangen.

Der schwere Weg zur KZ-Gedenkstätte Dachau
Die Gründung des Karmel „Heilig Blut“, so der offizielle Name des Klosters, ist im Kontext des langen Ringens um die Errichtung einer Gedenkstätte in Dachau zu sehen. Zwar hatten die US-Behörden einen großen Teil des ehemaligen KZ-Geländes samt der alten Gefangenenbaracken 1948 an den bayerischen Staat zurückgegeben. Doch dieser beschloss, in den Lagerbauten deutsche Flüchtlinge und Vertriebene aus Osteuropa unterzubringen. Seitdem hieß der Ort „Wohnsiedlung Dachau-Ost“. Erinnerungen an das Konzentrationslager wurden aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt.

Lediglich der Bereich der ehemaligen Lagerkrematorien, der von den befreiten Häftlingen schon 1945 mit improvisierten Informationen versehen worden war, wurde von der Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen zum Friedhof umgestaltet. Doch selbst in dieser minimalen Form des Gedenkens sah so mancher CSU-Politiker wie Landwirtschaftsminister Joseph Baumgartner eine „Diffamierung des Dachauer Landes“ (Rede Baumgartners beim Dachauer Volksfest, Süddeutsche Zeitung 11.8.1955). Erst mit Neugründung des Internationalen Dachau-Komitees der Überlebenden und nach der Etablierung eines bayerischen Kuratoriums aus öffentlichen Einrichtungen, dem vor allem ehemalige KZ-Häftlinge angehörten, entstanden Pläne für eine Gedenkstätte. Dem Münchner Dachau-Überlebenden Otto Kohlhofer, der selbst wegen seines Einsatzes für den kommunistischen Widerstand in das KZ gebracht worden war, gelang es, Vertreter der verschiedenen politischen Richtungen für diese Idee zu gewinnen, so dass 1965 die KZ-Gedenkstätte Dachau endlich offiziell eingeweiht wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Bau des Karmel „Heilig Blut“ schon abgeschlossen, Ende 1964 hatten die ersten zehn Nonnen das Kloster bezogen.

Katholisches Gedenken in Dachau: „Todesangst-Christi-Kapelle“ und Karmel „Heilig Blut“
Bereits vier Jahre zuvor hatte der Münchner Weihbischof Johannes Neuhäusler den Anstoß dafür gegeben, dass auf dem historischen KZ-Gelände dauerhaft religiöse Stätten etabliert wurden: Während das ehemalige Häftlingslager teilweise noch von Vertriebenen bewohnt war, setzte er durch, dass in dessen nördlichem Teil ein großer Kirchenbau entstand: die „Todesangst-Christi-Kapelle“. Sie wurde 1960 eingeweiht, anlässlich des Eucharistischen Weltkongresses in München, einer mehrtägigen Zusammenkunft der römisch-katholischen Kirche. Es war das erste international bedeutende Großereignis in Nachkriegsdeutschland.

Bischof Neuhäuslers Engagement in Dachau lag zum einen in seiner Biografie begründet: 1941 war er auf Befehl der SS-Führung mit anderen Prominenten (kirchliche Würdenträger, Staatsmänner, Militärs und Diplomaten) als Geisel in einem Trakt des Dachauer Zellenbaus inhaftiert worden. Zum anderen war das ehemalige KZ Dachau für die christlichen Kirchen generell von großer Bedeutung, denn die SS hatte 1940 begonnen, alle festgenommenen Geistlichen aus den unterschiedlichen Haftstätten im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich nach Dachau zu verlegen. Unter den mehr als 200.000 Gefangenen, die zwischen 1933 und 1945 im Dachauer Hauptlager und seinen 140 Außenlagern inhaftiert waren, bildeten die insgesamt 2720 Kleriker zwar eine Minderheit. Aber aus kirchlicher Sicht war Dachau der zentrale Haft- und später der zentrale Gedenkort für alle in der NS-Zeit verfolgten Geistlichen. Neuhäuslers Initiative trug dazu bei, dieses Geschichtsbild zu prägen.
Geradezu fatale Folgen hatte das pauschale Bemühen des Weihbischofs um „Aussöhnung“, das auch vor NS-Verbrechern keinen Halt machte: 1951 gründete er zusammen mit anderen Kirchenvertretern, reaktionären Kräften und früheren SS-Führern den Verein Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte. Dieser setzte sich auch für verurteilte NS-Straftäter und SS-Angehörige ein und betreibt bis heute rechtsextremistische Geschichtsklitterung.
Unumstritten ist jedoch Neuhäuslers Verdienst um die Errichtung des Karmel „Heilig Blut“: Im Auftrag des Erzbischofs von München und Freising, Julius Kardinal Döpfner, erwirkte er bei bayerischen und US-amerikanischen Stellen die Genehmigung für den Bau und betrieb die Spendenakquise. Eigentliche Initiatorin des Dachauer Karmel war die gebürtige Münchnerin Schwester Maria Theresia (Dr. Berta Vorbach). Schon 1962 hatte sie sich bei Döpfner für die Klostergründung eingesetzt und erklärt: „Ein Ort, wo so gefrevelt wurde, wo so viele Menschen Unsagbares gelitten haben, darf nicht zu einer neutralen Gedenkstätte oder gar zu einem Besichtigungsort erniedrigt werden. Es sollte stellvertretende Sühne geleistet werden...“.
Schwester Maria Theresia bezog ihre Aussage ganz allgemein auf den Ort des KZ Dachau. Weder sie noch Neuhäusler ahnten, dass auch das spezifische Gelände, auf dem sie das Kloster planten und das sich außerhalb des früheren Häftlingslagers befand, Jahre vor Neuhäuslers Inhaftierung Tatort des Konzentrationslagers gewesen war.
Der historische Ort des Klosters: Der „Wildpark“ im KZ Dachau
Heute informiert eine Tafel am Durchgang zum Klosterhof darüber, dass an derselben Stelle von 1937 bis 1938 über 150 KZ-Häftlinge aus der „Strafkompanie“ des Konzentrationslagers zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden. Sie mussten auf dem Gelände einen „Wildpark“ für den KZ-Kommandanten Hans Loritz errichten. Unter den Schlägen der SS-Wachen schleppten sie Erdreich und Baumaterial heran. Sie mussten eine Kiesgrube auffüllen, Wildgehege einzäunen, einen künstlichen See anlegen und ein Blockhaus aufbauen. Mehrere Gefangene starben während der schweren Arbeiten, brachen entkräftet zusammen, wurden von ihren Bewachern zu Tode geprügelt oder in den Selbstmord getrieben.

Der „Wildpark“ war ein privates Bauprojekt des KZ-Kommandanten: Loritz nutzte die Arbeiten an der Vergrößerung des KZ Dachau, um Baumaterialien zu unterschlagen und Gefangene für seine persönlichen Zwecke einzuspannen. Nach Fertigstellung wurden im „Wildpark“ Rehe, Wildschweine, Gänse und Enten gehalten. Der sozialdemokratische Dachau-Überlebende Karl Röder berichtet von ausgelassenen Feiern, die Loritz im Blockhaus abgehalten habe, während die Gefangenen im benachbarten Häftlingslager ums Überleben kämpften. Vor Ort gibt es keine Spuren von den Exzessen der SS. Durch die Nutzung der US-Armee waren Teile des „Wildparks“ bereits zerstört, als mit dem Bau des Karmel an derselben Stelle ein neuer Park entstand: der Klostergarten.
Die Künstlerin Andrea Büttner rückt die Nonnen und deren Umgang mit der Geschichte des Ortes ins Zentrum ihres Films. Die Karmeliterinnen widmeten ihre Fürsorge seit den 1980ern auch den ehemaligen Häftlingen. Schwester Elija Boßler wurde 2019 im NS-Dokumentationszentrum für ihr liebevolles Bemühen um den Überlebenden Max Mannheimer mit dem Münchner Bürgerpreis für Demokratie ausgezeichnet. Der „Wildpark“ findet in Büttners Arbeit keine explizite Erwähnung. Doch so widersprüchlich es klingt: Auch die unwirklich anmutenden Aufnahmen der friedlichen Natur des Klostergartens in unmittelbarer Nähe der KZ-Gedenkstätte – wilde Wiesen, Wäldchen, ein stiller Teich – zeigen einen Ort des Terrors: den ehemaligen „Wildpark“ des KZ Dachau.
Von Dirk Riedel, wissenschaftlicher Mitarbeiter des NS-Dokumentationszentrums München
literatur
- Elija Boßler OCD/Johanna Kuric OCD: Bleiben, wo andere gehen – Leben, wo andere starben, in: Ordenskorrespondenz. Zeitschrift für Fragen des Ordenslebens 54 (2013), Heft 3, S. 327-338.
- Barbara Distel: Das Konzentrationslager Dachau nach der Befreiung, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 2, München 2005, S. 275-282.
- Harold Marcuse: Legacies of Dachau. The Uses and Abuses of a Concentration Camp 1933-2001, Cambridge 2001.
- Dirk Riedel: Der „Wildpark“ im KZ Dachau und das Außenlager St. Gilgen, in: Dachauer Hefte 16 (2000), S. 54-70.